Auftakt der Degustation: 2012er ocell de foc.
Rückblende. Mai 2014. Letzter Spieltag in der spanischen
Primera División. Der FC Barcelona hat noch die Chance, mit einem Sieg im heimischen Camp Nou den Spitzenreiter Atletico Madrid abzufangen. Ich bin gespannt darauf, bei diesem Ereignis als Zuschauer dabei zu sein. Zum ersten Mal im mythenumrankten Stadion, unter knapp
100.000 Besuchern, die dem Auftritt von Messi und Neymar entgegenfiebern. Das Meisterschafts-Endspiel ist sogleich auch Thema beim Plausch mit dem Taxifahrer, der mich am Morgen von
Vilafranca del Penèdes zu
Albet i Noya nach
Sant Pau d’Ordal im Herzen der Weinbauregion Subirats im malerischen Hinterland von Barcelona chauffieren wird. Wieviel ich denn für das Ticket bezahlt habe? 122 Euro. Auf dem
Schwarzmarkt sei es das Fünffache wert. Er würde es aber nicht kaufen, da in dieser Saison Barcelona schwächele und keinesfalls spanischer Champion werde.
Liebliche Landschaft im Hinterland von Barcelona.Von weitem ist die katalonische Flagge sichtbar. Ankunft bei Albet i Noya. DIE Pioniere im organischen Weinbau Spaniens. Zunächst Traubenlieferant für die großen Handelshäuser, dann einer der ersten Kellereien, die auf kontrolliert-biologischen Anbau setzten. Keimzelle der Produktion ist das 1903 gegründete Gut, das auf einer aus dem Mittelalter liegenden Finca liegt. Das umtriebige Brüderpaar Josep María und Toni Albet startet 1978 als erster spanischer Winzer, seinen Betrieb ökologisch zu führen. Biowein war zu dieser Zeit kein großes Thema.
Ankunft bei den Pionieren der spanischen Bio-Winzer.Bekannt war und ist spanischer Cava-Schaumwein. Markennamen wie Freixenet und Codorniu oder Kellereien wie Segura y Viudas aus dem Penedès bestimmen den nationalen Markt und sind auch international erfolgreich. Oft zulasten der kleineren Produzenten, die unter den
Preisdiktaten der Großen leiden und viel Menge bei zumeist minderer Qualität produzieren. Über 220 Millionen Flaschen der geschützten Herkunftsbezeichnung
DO Cava werden alljährlich produziert – in 160 Regionen in ganz Spanien. Das habe nichts mit dem Terroir-Gedanken zu tun, meint man bei Albet i Noya. Deshalb der radikale Schritt: Austritt aus der DO Cava,
Wechsel zur DO Penedès, wo die Schaumweine nicht mehr Cava, sondern
Vi Escumós heißen. Außerdem werden die flaschenvergorenen Prickler ab 2018 ausschließlich mit biologischen Trauben hergestellt. In Deutschland ist Cava von Albet i Noya auch bei
Delinat erhältlich.
Charaktervoller Querkopf: BeLat.Auf mittlerweile 80 Hektar produziert der ökologische Vorzeige-Betrieb nicht nur Cava-Trauben. Die Weinberge des Gutes liegen an den Bergabhängen des westlichen Teils des Ordalgebirges, „Costers d’Ordal“, den Windungen des Bodens folgend, an Terrassen angelegt oder an Steigungen, die in südliche Richtung zeigen. Wie alle Böden, die für den Weinbau geeignet sind, sind auch die von Can Vendrell arm an organischer Materie, mit unterschiedlichem Anteil an Tonerde und Sand auf kalkhaltigem Untergrund, einem wasserdurchlässigen Boden, der aber trotzdem feuchtigkeitsrückhaltend ist. Während Xarel·lo, Macabeu und Parellada Rebsorten sind, die ohne Unterbrechung immer im Penedès angepflanzt waren, wurden andere Spezies wie Tempranillo und internationale Vertreter wie Chardonnay wieder neu gepflanzt nach der Reblausplage im 14. Jahrhundert, die alle anderen Sorten ausgerottet hatte.
Neues Fass im neuen Albet i Noya-Keller.Zur Verarbeitung: Der Jugendstil-Weinkeller von Can Vendrell stammt aus dem Jahr 1925.Tradition. Moderne zeigt sich im neuen Keller „Xapallà“ und in der Bodega von La Era, die 2010 in Betrieb ging. Ökologisch bedeutet bei Albet i Noya vor allem die Reduktion von Schwefel bei der Wein-Konservierung, die nach eigenen Angaben um die Hälfte weniger ausmacht als bei traditionellen Kellereien. Die Konzentration auf die eigene Region hat dazu geführt, dass man sich in Pau d’Ordal um verloren geglaubte Traubensorten kümmert. In zwei Forschungs-Schritten. Seit 1998 wurden 7 Exemplare gefunden. Im zweiten Projekt-Abschnitt, der bis 2020 angesetzt ist, soll die Suche fortgesetzt werden. Von den ersten Exemplaren wurden bereits Proben mikro-vinifiziert und in die Wein-Fachwelt zur Expertise geschickt. Etwa die wiederbelebte Rebe Rión.
RIÓN: ALTER VERTRETER IN KATALONIENS WEINBERGEN.Weinprobe im idyllischen Garten von Albet i Noya. Im Glas
el fano. Hundert Prozent Xarel·lo. Röstnoten. Weisser Pfeffer. Reife Früchte. Alte Reben, angepflanzt 1948. Eine Traube, die Wind und Sonne über dem Weinberg standhält. Weitere Genuss-Raritäten:
Ocell de foc und
Belat. Zeit für den Abschied. Zurück zum Bahnhof. Mit demselben Taxifahrer, der wegen des vereinbarten Fahrtgeldes noch ein bisschen Sightseeing einstreut, weil es diesmal zur Station Lavern geht, die näher liegt als Vilafranca. Dort in
Lavern hält ein freundlicher Katalane im Touristen-Info-Büro an einem Samstag die Stellung. Erklärt dem Besucher aus Alemania die Vorzüge der Region, in der man hervorragend
durch Weinberge wandern könne und seine Ruhe habe. Ein Eldorado des Öno-Tourismus. Ach ja, über Fußball haben wir auch noch gesprochen. Barcelona werde wohl nicht gewinnen, Atletico sei diesmal einfach zu stark. Was stimmte. Die Hauptstädter spielten dann am Abend 1:1. Was zum Titel gegen die stolzen Katalanen reichte.
Jugendstil im Hauptgebäude von Albet i Noya.DER AUTOR HAT TEXT UND FOTOS OHNE FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG DRITTER ERSTELLT.