Blaue Stunde im Weintempel Ved Stranden.Wir sind mit Anne-Mette verabredet. In der
K-Bar gibt es erst einmal nach dem herzlichen Hallo wie immer den Cocktail
Sidecar. Skål. Es gibt viel zu erzählen. Anne-Mette arbeitet in einer
Kopenhagener Galerie und weiss über die aktuellen
Szene-Trends zu berichten, so über
Olafur Eliasson, der derzeit eine grosse Ausstellung im Museum
Louisiana vor den Toren der dänischen Hauptstadt hat. Weiter geht’s zum
„vinhandel & bar“ Ved Stranden.
Ved Stranden: Halb Lager – halb Apotheke mitten in Kopenhagen.Ved Stranden heisst übrigens „am Strand“. Natürlich gibt es hier keinen Sand, aber gebuddelt wird in der Nähe trotzdem. Da wo ganz früher Fischerfrauen ihre Stände hatten, gräbt sich jetzt die
U-Bahn tief in die Erde.
Maritime Atmosphäre herrscht trotzdem. Man kann seinen Wein direkt am Wasser geniessen – in Sichtweite des Parlaments-und Regierungssitzes
Christiansborg, das auch dem deutschen Fernseh-Publikum als Kulisse des Polit-Thrillers
„Borgen“ bekannt ist. Geschrieben übrigens von
Adam Price, einem bekannten dänischen Restaurant-Besitzer, TV-Koch und Autor.
Reminiszenz an dänische Wohnkultur: Speise-und Getränkekarte.
Leider ist heute nicht Mittwoch. Denn dann verstaltet das „Ved Stranden“-Team eine
legendäre Weinprobe zu – für dänische Verhältnisse – preiswerten Konditionen. Aber auch am Donnerstag schmeckt der vergorene Rebensaft. Eine
Weinkarte, die ihresgleichen sucht und gestaltet ist wie die früheren Adressen-Tafeln im dänischen sozialen Wohnungsbau. Das
Design bestimmt in Skandinavien eben doch das Bewusstsein. Übrigens: Mit jeweils über 20 Vertretern aus Deutschland und Österreich. Unter den Leuchttürmen Fritz Haag, Dönnhoff, Meyer-Näkel oder Pittnauer, Tschida und Strohmeier sind dabei durchaus
Neuentdeckungen auch für den germanischen Gaumen auf der Karte.
Direkt gegenüber: „Borgen“ (Burg) oder besser Christiansborg, Parlaments-und Regierungssitz.Die Skandinavier selbst haben sich nie den Ruf als große Weinfreunde oder gar Weinkenner erworben. Der multinationale Getränkehersteller Carlsberg ist vor allem wegen des Bieres bekannt. Aber selten anderswo trifft man auf Geniesser, die sich so gut auskennen und so interessiert sind, wie in Kopenhagen. Die Insel der Weinseligen ist und war immer die dänische Hauptstadt. Von den Sommeliers hier wird den Trinkern in der Stadt der Kaufleute ein gutes Zeugnis ausgestellt. Sie seien interessiert, orientieren sich mehr an der Qualität als an der Menge, und sie verdienen so viel, dass der Preis nur eine marginale Rolle spielt.
Skandinavisches Design und mediterrane Tropfen.Die
Steuern auf Alkohol und somit also auch auf Wein sind nicht gerade animierend. Doch das gemeinsame Glas gehört hier seit einer Trinkergeneration zur urbanen Alltagskultur wie das
Radfahren. Weinbars schießen aus dem Boden wie die Pilze in den Wäldern, aus denen die nordischen Küchenchefs kulinarische Überraschungen auf den Teller zaubern. Der Anspruch der Gäste ist dabei hoch. Sie speisen und trinken eher
vom Besten als vom Schlechten und experimentieren gern.
Avantgarde-Weintrinker sind in der dänischen Hauptstadt in guter Gesellschaft.
Blick auf Kopenhagener Strassenbild.Während sich Anne-Mette mit meiner besseren dänischen Hälfte über alte Zeiten austauscht, greife ich beherzt zum Glas und hole mir
fachkundigen Rat. Der junge australische Mitarbeiter empfiehlt
Domaine de Majas (bei Perpignan),
Eugenio Bocchino (Piemont, Langhe) und Château de Passavant (Loire). Allesamt biologisch, allesamt individuell und allesamt neue Geschmackserfahrungen.
Line-up der Mini-Weinprobe: Domaine de Majas, Eugenio Bocchino und Château de Passavant.DER AUTOR HAT TEXT UND FOTOS OHNE FINANZIELLE UNTERSTÜTZUNG DRITTER ERSTELLT.