Italiens nördlichste Winzer gehen konsequent den Qualitäts-Weg. 31 Top-Erzeuger präsentierten über 250 ausgesuchte Premium-Weine in Frankfurt. Die Präsentation „Südtiroler Charaktere“ richtete sich an Fachbesucher aus Handel, Gastronomie und Medien. Master Sommelier Hendrik Thoma und Kollege Remigio Poletto präsentierten ihre Favoriten.
Die Südtiroler Winzer pflegen sowohl alteingesessene als auch internationale Sorten. Während sie sich unter anderem mit den Burgundersorten und dem Sauvignon Blanc erfolgreich der internationalen Konkurrenz stellten, bringen sie gleichzeitig mit den heimischen Sorten Gewürztraminer, Vernatsch und Lagrein eigenständige Gewächse hervor. Rund 20 Traubensorten haben sich in den letzten Jahrzehnten in Südtirol etabliert. Internationale Sorten wie Sauvignon Blanc, Chardonnay, Blauburgunder oder Merlot geben den Winzern die Möglichkeit, sich mit Gewächsen aus anderen Regionen zu messen. Dieser positive Wettstreit hat maßgeblich zum internationalen Renommee des Südtiroler Weins beigetragen. Auf der anderen Seite stehen die alteingesessenen Sorten. Sie repräsentieren die Einzigartigkeit des Weinlands Südtirol und harmonieren mit der bäuerlich geprägten Regionalküche, die von der Spitzengastronomie in einer raffiniert verfeinerten Form angeboten wird. Während weltweit gesehen die Weine kontinuierlich an Fruchtfülle und Alkoholgehalt zulegen, beweisen die Südtiroler Winzer mit ihrem Vernatsch, wie wichtig es ist, einen bekömmlichen Alltagswein im Sortiment zu haben.
Der Lagrein trifft mit seiner Aromatik nach Waldbeeren und frischen Kirschen, sowie seiner samtigen Fülle im Gaumen das Geschmacksprofil der zeitgenössischen Weinliebhaber. In den 70er Jahren fast vollständig verschwunden, hat der Lagrein deswegen eine spektakuläre Renaissance erlebt und ist heute ein wichtiges Aushängeschild der Südtiroler Weinwirtschaft. Ähnliches trifft auch auf den Gewürztraminer zu. In seinem «Heimatort» Tramin schon im 13. Jahrhundert erwähnt, zeigt die weiße Duftsorte heute eine eigenständige Südtiroler Charakteristik, die ein intensives Geschmackserlebnis mit Trinkgenuss vereint. Es ist interessanterweise gerade die gehobene Gastronomie, welche diese neue Generation der Südtiroler Traditionsweine für neue Mariagen entdeckt, wie beispielsweise gekühlter Vernatsch zu gebratenem Fisch oder Gewürztraminer zu asiatischen Kreationen.
Südtirol, das im nördlichsten Zipfel Italiens liegt und direkt an Österreich grenzt, vereint die positiven Aspekte dieser zwei grundverschiedenen, aber bei den Konsumenten höchst beliebten, Weinbaukulturen. Während die gut strukturierten Südtiroler Weißweine eine nördlich anmutende Finesse zeigen, entführen die Südtiroler Rotweine mit ihrem warm anmutenden Charme schon in den mediterranen Süden. Beim Herausarbeiten dieser stilistischen Vielfalt können die Südtiroler Winzer auf die Hilfe des Klimas zählen. Zwischen den frischen Bergluft-Böen, die oben im Eisacktal die Blätter der Sylvaner-Stöcke durcheinander wirbeln, und der schon mediterranen, warmen Brise, die gleichzeitig im Unterland über die Cabernet-Sauvignon-Rebberge streicht, liegen kaum eine Stunde Autofahrt. Auf dieser kurzen Fahrt von Norden nach Süden durchquert der Reisende auch, ohne dass es ihm bewusst wird, unterschiedlichste Bodenformationen. Denn Südtirol gleicht, geologisch gesehen, einem Flickenteppich. Dominieren im Eisacktal und im Vinschgau die verwitterten Urgesteinböden mit Quarz und Glimmer, so findet man in Terlan den vulkanischen Porphyr vor, der den Weißweinen eine besondere Komplexität verleiht. Und im Unterland, südlich von Kurtatsch, zeigt der Cabernet Sauvignon auf lehmhaltigen Sandböden seine Potenziale.
Bestimmte noch vor 30 Jahren der Pergola-Anbau das Landschaftsbild, so stammen heute die meisten Spitzenweine aus Drahtzuganlagen, in denen die Erträge besser kontrolliert werden können und die Trauben gleichmäßiger ausreifen. Dank einer umfangreichen Selektionsarbeit können speziell bei einheimischen Sorten wie dem Lagrein bei Neuanpflanzungen besseres Klon-Material eingesetzt werden. Vor allem aber verfügen die Produzenten heute über das Wissen, das notwendig ist, um in jeder ihrer verschiedenen Lagen die am besten geeignetsten Sorten anzupflanzen. An diesem Qualitätsprozess waren und sind alle Sektoren der Südtiroler Weinwirtschaft beteiligt: Die Freien Weinbauern, die nach dem Château-Prinzip arbeiten und nur eigens angebaute Trauben vinifizieren, die privaten Weingüter, von denen zahlreiche Impulse für die Qualitätsverbesserung in den letzten Jahren ausgingen, und schließlich die Genossenschaften, die mit ihren Selektionen auch im qualitativen Spitzensegment stark vertreten sind. Jüngstes Beispiel für den konsequenten Qualitäts-Ansatz: „Vigna“ als Bezeichnung für klassifizierte Lagenweine.
Die Bedrohung durch die Kirschessigfliege, die besonders bei den Rotweinsorten wie Blauburgunder und Vernatsch auftrat, forderte die Weinbauern dann noch zusätzlich. „Ich muss den Winzern dabei wirklich ein Kompliment machen. Sie haben befallene Trauben minuziös herausgeschnitten und mussten Ertragseinbußen von bis zu 50 Prozent hinnehmen. Nur so ist es ihnen gelungen, einwandfreies und gesundes Lesegut abzuliefern“, so Hans Terzer, Obmann des Verbands der Kellermeister Südtirols und Kellermeister der Kellerei St. Michael Eppan. So wird 2014 mit einer Erntemenge gerechnet, die je nach Betrieb und Gebiet zwischen 10 und 15 Prozent unter dem langjährigen Durchschnitt liegt. Gegenüber dem allerdings ertragsreichen Vorjahr beträgt der aktuell geschätzte Rückgang sogar 15 bis 25 Prozent. „Gerade die tiefen Lagen, die bereits Anfang September mit der Ernte starteten, haben unter diesem Wetter gelitten. Dies betraf vor allem die früh reifenden Sorten“, so Terzer weiter. „Die mittleren und höheren Lagen konnten noch vom günstigeren Herbstwetter profitieren.“ So erwartet er beispielsweise sehr gute Ergebnisse bei den weißen Rebsorten wie Weißburgunder und Sauvignon Blanc. Und auch bei den Rotweinsorten, die später geerntet werden, wie etwa Merlot und Lagrein, rechnet er mit einer sehr guten Qualität. Malerische Kulisse: Weinanbau in Südtirol.
Gut möglich, dass sich der Weinbau in Südtirol wegen der prognostizierten Klimaerwärmung mit der Zeit in höhere Lagen verschiebt. Schon jetzt reifen hier die Trauben je nach Sorte in Höhenlagen zwischen 200 und 1.000 Meter Meereshöhe. Da besteht jede Menge Spielraum, um langfristig notwendige Anpassungen vorzunehmen. Doch gerade die letzten Jahre haben bewiesen, dass die Südtiroler Winzer mit den zunehmenden Wetterkapriolen gut umzugehen wissen. Dank einer minuziösen Arbeit im Rebberg zeigt darum jeder Jahrgang in subtiler Weise seinen individuellen Charakter. So entstanden 2007, 2009 und 2012 nach einem warmen Spätsommer und einer vergleichsweise frühen Ernte konzentrierte und stoffige Weine. Die klimatisch schwierigen Jahre 2008, 2010, 2011 und 2013 brachten dagegen eher elegante, frische Weine hervor.