Im Auftrag der Düsseldorfer Messe ProWein hat die Hochschule Geisenheim zum dritten Mal mehr als 1.700 Experten der Weinbranche aus 45 Ländern zu internationalen Weinmärkten, Vermarktungstrends und der wirtschaftlichen Lage befragt. Im Fokus der diesjährigen Befragung stehen die Auswirkungen des Klimawandels auf die globale Weinbranche:
Klimawandel verändert globale Weinbranche
Kurzfristig sehen die Unternehmen die Auswirkungen der restriktiven Gesundheitspolitik mit teilweise hohen Steuersätzen und Mindestpreisen auf Wein und Alkohol als stärkste Herausforderung der Weinbranche. Die Eintrübung der globalen wirtschaftlichen Lage und zunehmende Handelshemmnisse werden als zweitstärkste Herausforderung eingestuft. Die Auswirkungen eines unregulierten Brexit sowie der Wettbewerb mit anderen alkoholischen Getränken und der deregulierte Verkauf von Cannabis werden als vergleichsweise gering angesehen. Die Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Unternehmen werden von der Hälfte der Unternehmen als stark oder sehr stark eingeschätzt. Er ist damit kurzfristig die drittstärkste Herausforderung der Branche. Im Gegensatz zu den anderen Herausforderungen, die mit einer höheren Unsicherheit erwartet werden, ist der Klimawandel die aus Sicht der Unternehmen am sichersten eintretende Gefahr. 73 Prozent der Unternehmen erwarten Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Unternehmen.
Das Ausmaß, mit dem sich der Klimawandel in den letzten fünf Jahren bei den Unternehmen bemerkbar gemacht hat, unterscheidet sich je nach Position in der Wertschöpfungskette. Bereits neun von zehn Weinproduzenten haben die Auswirkungen des Klimawandels zu spüren bekommen, bei den Händlern waren es dagegen nur sechs von zehn. Die am stärksten betroffenen Weinproduzenten können den Auswirkungen des Klimawandels durch die ökonomische Bindung an ihren Grund und Boden meist am wenigsten ausweichen.
In den vergangenen fünf Jahren waren die stärksten Auswirkungen im Bereich des Weinbaus zu verzeichnen. Mehr als die Hälfte der Traubenproduzenten hatte geringere Erträge durch Extremwettereignisse wie Spätfrost, Starkregen, Hagel oder Trockenstress der Reben. Durch diese Extremereignisse hat sich die Volatilität der Erntemengen stark erhöht; gleichzeitig hat diese Volatilität zu starken Preisschwankungen am Rohwarenmarkt geführt. Durch bestehende Ertragsregulierungen können Minderernten eines Jahres nur begrenzt durch höhere Folgeernten ausgeglichen werden. Fast jeder zweite Traubenproduzent musste seine Unternehmensprozesse bereits durch verkürzte Zeitfenster der Ernte umstellen und größere Annahmekapazitäten schaffen.
Sowohl der Handel als auch die abfüllenden Kellereien geben mehrheitlich an, dass sich die sensorischen Eigenschaften der Weine verändert haben. Die Hälfte der großen Weingüter und Kellereien, die Trauben und Fasswein von mehreren Produzenten beziehen, mussten bereits neue önologische Verfahren verwenden, um die Auswirkungen der klimatisch veränderten Rohwaren auf den trinkfertigen Wein abzumildern. Bei den selbstvermarktenden Weingütern und den Genossenschaften kamen diese neue Technologien bisher weniger zum Einsatz. Händler beobachten bereits jetzt Änderungen im Konsumverhalten der Verbraucher durch den Klimawandel. So sinkt in heißen Sommern der Weinkonsum, und die Nachfrage nach schweren Rotweinen geht zurück. Auch für die Zukunft erwarten Händler eine steigende Nachfrage nach anderen Weinen (63%) und nach anderen Getränken (47%). Damit liegt genau eine gegensätzliche Entwicklung zwischen Produktion und Nachfrage vor. Der Klimawandel führt zur Produktion von schwereren, alkoholreicheren Weinen und bringt gleichzeitig die Konsumenten dazu, vermehrt leichtere und erfrischendere Weine nachzufragen. Mehr als die Hälfte der Händler (57%) fordern deshalb, dass Produzenten neue önologische Verfahren anwenden sollten, um trotz Klimawandel die bestehenden Weinprofile herstellen zu können.
Befragt nach der gegenwärtigen Attraktivität schätzen Exporteure und Weinproduzenten Skandinavien mit den führenden Ländern Norwegen und Schweden als den weltweit attraktivsten Exportmarkt ein. Japan, China, Hong Kong, USA, Kanada und Polen folgen auf den nächsten Rängen. Die leicht geringere Bewertung von China und Hong Kong beruht vor allem auf den hohen Lagerbeständen und der etwas geringeren Inlandsnachfrage. Die politischen Proteste in Hong Kong sind durch den Zeitpunkt der Befragung noch nicht berücksichtigt. Die USA und Kanada haben ihre Rolle als wichtige Exportmärkte wieder unter Beweis stellen können, die Auswirkungen der ab Oktober 2019 erhöhten Importzölle für die meisten europäischen Weine bleiben aber noch abzuwarten. Polen ist nach 2017 wieder zurück in der Liste der Top 7 Exportmärkte. Durch den nach wie vor ungeklärten Brexit und seine bereits spürbaren ökonomischen Auswirkungen auf dem Inlandsmarkt hat sich die Bewertung des britischen Marktes noch einmal auf ein neues Allzeittief reduziert.
Fotos: ProWein – Klaus Feldkeller Text: ProWein