Was verschlägt eine belgische Familie in die Höhen des Südtiroler Vinschgaus? Die Leidenschaft für den Wein. Diese Passion ist soweit gediehen, dass Hilde van de Vries zusammen mit ihrem Partner den mit 1.340 Meter höchsten Bio-Weinberg Europas bewirtschaftet:
Der Marienberg unterhalb des Benediktiner-Klosters in Burgeis sorgt für so manche Herausforderung. Die belgische Winzerin Hilde van den Dries bearbeitet den Weinberg ihres unweit gelegenen Weinhofes Calvenschlössl am Kloster nach naturnahen, ökologischen Prinzipien – ganz nach dem Motto „Zurück zum Ursprung des Weines“. Hier sind 6.000 Rebstöcke auf insgesamt 2,3 Hektar angepflanzt worden. Hilde van den Fries hat dafür ihr früheres Leben im Diamenten-Business in Antwerpen hinter sich gelassen, um hier in der Natur ein neues Leben zu beginnen, dass „mir unheimlich viel Kraft gibt.“ Eine Arbeit als Weinbauerin in den Bergen, dies mit dem Anspruch, biologisch zu arbeiten, nicht immer ganz einfach ist: „Die Berge verlangen den Reben einiges ab, es wachsen nur widerstandsfähige Reben wie die pilzresistente Solaris. Und doch möchte ich trotz aller Schwierigkeiten hier einen Top-Wein anbauen,“ gibt sich die Flämin kämpferisch.
Winzerin Hilde van den Dries zeigt die Reife der Weintrauben kurz vor der Lese.Die Passion für den Höhenwein hat eine Vorgeschichte. Vater Frans van den Dries verbrachte seit Jahrzehnten seine Ferien bei Klettertouren im Reich der Dolomiten – bis die Familie auch die landschaftlichen Reize im Obervinschgau entdeckte. Im Jahre 2002 beschlossen Frans und Frau Frida das Calvenschlössl am westlichen Rande vom Dorf Laatsch bei Mals als festen Wohnsitz zu kaufen. Das Anwesen befindet sich unter einem schroffen Felsen, auf 1.000 Meter Meereshöhe: „Nachdem wir 2004 das Calvenschlössl in Laatsch/Mals erwarben, kam unmittelbar danach den Wunsch auf, auf den steilen Hängen, die das Haus umgeben, einen biologischen hochwertigen Wein anzubauen. Dies war aber alles andere als einfach; für Weinbau sind die Hänge ja extrem steil und die Höhe – 970 bis 1005 Meter – sehr ungewöhnlich“, so Hilde van den Dries. Diese exponierte Lage hat aber auch Vorteile. Durch die Südlage sind die Trauben in einer exponierten Sonnen-Lage und können so voll ausreifen. Aus kühlen Nächten und sehr heiβen Tagen reifen Trauben mit hohem Zuckerwert und markanter Säure heran.
Im Hintergrund die Stilfser Berge – vorn der Marienberg auf 1.340 Meter Höhe.Die Richtlinien der Calvenschlössl- und Marienberg-Philosophie sind das Verzichten auf hohen Ertrag. Chemikalien kommen für die Pflege der Rebstöcke und Trauben nicht zum Einsatz: „Für die Schädlungs-Bekämpfung setzen wir voll auf Nützlinge. Damit diese einen günstigen Lebensraum vorfinden, werden im Weinberg 4 Kleearten und 7 Sorten von Blumen gesät. Das sind ideale Voraussetzungen für Nützlinge wie Marienkäfer, Ohrwürmer und Florfliegen. Durch eine Optimierung des Blatt-Fruchtverhältnisses versuchen wir den ursprünglichen und natürlichen Geschmack der Trauben beizubehalten. Auch die Lese wird behutsam ausgeführt,“ so Hilde van den Vries. Die Trauben werden sorgfältig gelesen und in kleinen Behältern gesammelt. Dabei kommen die drei Esel Gina, Leila und Cornelius zum Einsatz.
Keimzelle der Wein-Leidenschaft von Familie van den Dries – das Gut Calvenschlössel. Foto: Calvenschlössel.Auch für den Marienberg gilt das, was für das Calvenschlössel Prinzip und auf der Website dokumentiert ist: „Das Entsaften der Trauben geschieht sanft und langsam mit einer hydraulischen Presse. Dabei wird auch nur der erste Pressvorgang verwendet. Wir kennen die Gefahren, glauben dennoch sehr stark an die hohe Qualität, die Spontangärung hervorbringen kann. Daher schätzen wir die natürlichen Hefestämme unserer Trauben sehr. Sie verleihen unseren Weinen ja mehr Finesse und Individualität. Filtration gibt es nicht. Es wird versucht, jeden Arbeitsvorgang, der die Qualität des Weines beeinträchtigen könnte, zu vermeiden. Gleichfalls verzichten wir auf Zusatzstoffe. Somit ist bis hin zur Vinifikation unsere Philosophie „Zurück zum Ursprung des Weines“ deutlich spürbar. Es gelingt uns vortrefflich, die unvergleichlichen fruchtigen Aromas der Trauben, die vom ursprünglichen Boden geprägt worden sind, unverfälscht in unsere Weine festzuhalten.“
Zeit für eine kleine Pause – die Winzerin mit ihrem Vierbeiner. 2013 begann das Winzer-Abenteuer an den Südhängen des Klosters Marienberg in Burgeis. Seinerzeit wurde der Weinberg von Hilde van den Dries von den Benediktiner-Mönchen gepachtet. Im Herbst 2016 schließlich wurde die erste Traubenernte gefeiert. 2017 endlich soll der allerersten Wein vom höchsten Weinberg Europas getrunken werden.
Text – Fotos: KLAUS FELDKELLER